Dienstag, 30. April 2013

Tüte zu Kiste

In der Nähe meiner Behausung befindet sich einer dieser dubiosen Bekleidungsläden, die Textilien zu Preisen verschleudern, dass es fast teurer ist, sie zu waschen als neue zu kaufen und in denen es offenbar Sitte ist, Stücke, die bereits beim ersten Begrabbeln missfallen, einfach auf dem Boden festzutreten. Mehr Missachtung der Schinderei von Heerscharen Nähern aus weit entfernten Ländern ist kaum mehr möglich. Ich bete um Standhaftigkeit, dass ich trotz der Nähe und preislichen Verlockung dort nix kaufe.

Was mich an diesem Geschäft weiterhin erstaunt, sind die Bräuche rund um den Abtransport der Beute. Zwar scheinen die schmucklos braunen Papier-statt-Plaste-Tüten auf den ersten Blick totaaal nachhaltig - 100 Prozent recycelt! - doch ist die Gebrauchsdauer verblüffend kurz. Möglicherweise Risse fürchtend scheint das Verkaufspersonal dazu angehalten, die Tüten bestenfalls zu einem Drittel zu füllen und dafür mehr derselben auszuhändigen. In Folge dessen schaffen sie viele Kunden nur mit knapper Not gerade so über die Ladenschwelle nach draußen, um dann unverzüglich umzupacken und das überzählige braune Papierzeug daselbst fallenzulassen. Die Gebrauchsdauer einer solchen Tüte liegt damit bei unter einer Minute - neuer Rekord im Schnellwegwerfen?

Sicher kennen mich Security-Personal und Pfandflaschen-sammler schon: Ach, da kommt wieder die Verrückte mit dem Kinderwagen, die die Tüten sammelt. Zerschnitten, zu breiten Bändern verfaltet und geflochten ergeben sie wunderbar haltbare Kästen - für Papierkram, Haushaltsdinge oder auch die vielen zuvor erworbenen kleinen schlobberigen Textilien, vorausgesetzt man will sie tatsächlich mehrmals anziehen.



Die abgebildete Kiste wurde auf DIN A4-Tauglichkeit hin entworfen - ich brauchte etwas, um die kreativen Ergüsse meiner Großen zu verwahren. Weitere Ziele sind naheliegender Weise Formate, die mit Kleiderschränken kompatibel sind...

Die Kiste ist erstaunlich stabil im Gegensatz zur ursprünglichen Tüte!




PS. Aus den Henkeln wollte ich noch ein Portemonnaie bauen. Leider war das Material etwas zu störrisch... das Behältnis will sich nicht schließen lassen. Im Moment beherbergt es ein paar Trockenblumen im Flur.

Freitag, 12. April 2013

Traditionsgewerbe Upcycling

Wir nennen es Upcycling und weil's englisch ist, wird es gleich super-trendy. Wie hätten es meine beiden Großmütter genannt? Wahrscheinlich war es eines Tages mal zu warm für Kaffee, da nahmen sie die Verschlüsse von Coladosen (die damals noch komplett abgingen) und bogen sie wieder gerade. Die eine bemalte sie kunstvoll mit Lackfarben, die vom Modellbau übrig waren, die andere umhäkelte sie mit viel Liebe. Jetzt sind es Serviettenringe und jeder ist anders. Hübsch, oder?





Upcycling ist wahrscheinlich so alt wie die Menschheit selbst und Senioren sind ganz bestimmt ideale Ratgeber für die Verwertung von Dingen, die auf den ersten Blick unbrauchbar scheinen. Vielleicht aus der puren Notwendigkeit der Kriegs- und Nachkriegszeit heraus? Lässt sich nur hoffen, dass wir eine nachhaltigere Nutzung unserer Siebensachen auch dann hinbekommen, wenn man uns nicht mit Waffengewalt dazu zwingt...